Trotz einiger Korrekturen ist der internationale Rohkaffeepreis an der New Yorker (Arabica) und Londoner (Robusta) Wartentermin-Börse seit Mitte Juni 2020 gestiegen. In den letzten 30 Tagen sind die Arabica-Preise um knapp 15%, und die Robusta-Preise um 12% gestiegen. Es ist weiterhin mit einer starken Preis-Volatilität in beiden Märkten zu rechnen.
Graphik: New York “C” Arabica Coffee Spot Month July 2021
Starke Marktschwankungen können immer verschieden interpretiert werden. In diesem Fall scheinen die Haupttreiber für den Preisanstieg die Positionierung der Investmentfonds im Commodity-Umfeld, eine kleinere Ernte in Brasilien, eine komplizierte politische Situation in Kolumbien sowie generelle Verzögerungen in der internationalen Logistik zu sein.
Fonds nutzen USD-gehandelte Rohstoffe mit einem intrinsischen Wert (wie z.B. Kaffee, Sojabohnen, Mais, Holz, etc.) als Absicherung gegen Inflation. Aus diesem Grund sind Investitionen in verschiedene Rohstoffkomplexe geflossen, wovon die meisten in einem erheblichen Preisanstieg resultierten. Nachdem die Covid-19-Impfkampagnen Wirkung zeigen, kommt die Wirtschaft in den USA und Europa langsam wieder in Gang. Die Regierungen haben sehr ehrgeizige Konjunkturprogramme verabschiedet, und die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen steigt. Es ist davon auszugehen, dass dies zu einem Anstieg der Preise und damit zu einer Inflation führen wird.
Zusätzlich zur makroökonomischen Entwicklung hat die International Coffee Organization (ICO) ihre Schätzung der weltweiten Kaffeeproduktion für die Ernte 2020/21 auf 169,6 Mio. Sack korrigiert. Dies ist eine Verringerung von 2,29 Mio. Sack im Vergleich zur vorherigen Schätzung von 171,89 Mio. Sack. Trotz dieser Anpassung erwartet die ICO ein leichtes Überangebot von ca. 2%.
Die Situation in Brasilien bleibt eine Herausforderung. Die Kombination aus anhaltend trockenem Wetter, einem Off-Zyklus mit einer geringeren geschätzten Produktion für die Ernte 2021 und einem stärker werdenden Real zum USD, treiben den Preisanstieg ebenfalls an. Für diese Jahreszeit ist das trockene Wetter jedoch nahezu ideal: Der Kaffee wird geerntet, dabei wären Regen und übermäßige Feuchtigkeit kontraproduktiv, wenn es um den Trocknungsprozess nach der Ernte geht. Auch die Situation an den Häfen ist weiterhin kompliziert. Überbuchungen, ein Mangel an geeigneten Containern und logistischer Ausrüstung führen zu weiteren Verzögerungen bei der Verschiffung.
Was als Streik in Kolumbien begann, hat nun eine neue Ebene erreicht. Die Regierung verhängte Ausgangssperren in Kolumbiens Großstädten, da mehrere Zusammenstöße zwischen Polizeikräften und Demonstranten außer Kontrolle gerieten. Ein Teil der Demonstranten randalierte und die Polizei, die versuchte, Recht und Ordnung wiederherzustellen, wendete offenbar übermäßig oft Gewalt an. Dies hat zu weiteren Eskalationen geführt. Die Regierung befindet sich nun im Dialog mit dem Nationalen Streikkomitee. Weitläufige Straßensperren haben den Kaffeefluss im Landesinneren verlangsamt und der Zugang zu den Häfen Buenaventura und Cartagena ist derzeit schwierig. Diejenigen, die es bis zum Hafen schaffen, sehen sich mit einem Mangel an Lebensmittelcontainern konfrontiert. Überbuchte Schiffe vervollständigen diesen Stresstest für die Lieferkette. Verspätungen lassen sich nicht vermeiden.
Die internationale Seelogistik und die Hafenaktivitäten sind in den meisten Teilen der Kaffeewelt im Verzug. Alle großen Kaffeeregionen stehen vor ähnlichen Engpässen und sind mit den vorgesehenen Verschiffungsplänen im Verzug.
Quelle: List+Beisler News
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